13.02.2023
Hinweis: In einer früheren Version des Briefes haben wir Herrn Dr. Hoffmann mit aufgenommen. Dieser war bei diesem Treffen aber weder dabei, noch auf dem Bild zu sehen. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
Wir haben heute folgenden offenen Brief aufgrund eines Treffens mit Diplomat*innen aus den ASEAN- Mitgliedsstaaten inkl. Vertreter*innen der Junta, welches am 9. Februar 2023 im Deutschen Bundestag stattgefunden hat, versendet:
Ihr Treffen mit dem Berlin ASEAN Committee am 9. Februar 2023
Sehr geehrte Frau Katzmarek,
sehr geehrter Herr Aumer,
sehr geehrter Herr Gehring,
sehr geehrter Herr Müller-Rosentritt,
sehr geehrte Frau Lay,
sehr geehrter Herr Otten,
sehr geehrte Mitglieder der Parlamentariergruppe ASEAN,
sehr geehrter Herr Scheuer,wir wenden uns an Sie im Namen des Vereins German Solidarity with Myanmar Democracy e.V. (GSwMD). GSwMD ist eine der größten europäischen Solidaritätsgruppen für Myanmar und besteht aus Myanmarer*innen und Menschen, die dort im Rahmen der Entwicklungs- oder Kulturzusammenarbeit tätig waren.
Wir schreiben Ihnen bezüglich Ihres Treffens mit Diplomat*innen aus den ASEAN- Mitgliedsstaaten, welches am 9. Februar 2023 im Deutschen Bundestag stattgefunden hat. Über den Social-Media-Kanal vom Außenministerium Myanmars, welches nun einer brutalen, menschenrechtsverachtenden Militärjunta dient und als Propaganda-Kanal des Militärregimes genutzt wird, erfuhren wir, dass Kyaw Htin Lin, der jetzige Chargé d’ Affaires der BotschaftMyanmars und ranghöchste Vertreter der Militärjunta in Berlin, auch zusammen mit den Vertreter*innen der anderen ASEAN-Botschaften an dem Treffen mit Ihnen teilgenommen hat.
Kyaw Htin Lin ist nach der im vergangenen Jahr abberufenen Botschafterin Yin Yin Myint der offizielle Vertreter des Militärregimes Myanmars, welches sich am 1. Februar 2021 an die Macht geputscht hat. Der AAPPB (Assistance Association for Political Prisoners Burma) zufolge wurden seit dem Putsch mehr als 17.000 Menschen verhaftet, 2986 wurden getötet und mehr als 120 Menschen zum Tode verurteilt. Das ganze Land ist seitdem beherrscht von exzessiver Gewalt der Soldaten des Regimes. Diese brennen jeden Tag Dörfer und Häuser nieder – Schulen, Menschenansammlungen und Krankenhäuser wurden vom Militärregime mit Kampfhubschraubern bombardiert. Anstatt ihre eigene Bevölkerung zu schützen, setzt die Armee in Myanmar Gewalt gegen sie ein, um deren Willen für Demokratie und Freiheit zum Schweigen zu bringen.
Einen hochrangigen Vertreter der myanmarischen Demokratie-Feinde im hohen Haus der Demokratie in Berlin zusammen mit den Vertreter*innen des deutschen Volkes zu sehen und diesen damit zu legitimieren, ist aus unserer Sicht ein Fehler, demütigend und schmerzhaft für myanmarische Demokratieaktivist*innen – besonders für die Menschen, die in Myanmar unter Terror und Unterdrückung des Militärregimes leiden und jeden Tag in Furcht leben müssen.
Ein solches Treffen widerspricht auch der Außenpolitik der Bundesregierung, die den Militärputsch verurteilt und die Wiedereinsetzung demokratischer Institutionen fordert. Es steht ebenso der Solidaritätsbekundung des Deutschen Bundestags vom 14.04.2022 gegenüber den frei gewählten Vertretern Myanmars entgegen. Wir bitten Sie darum, auch zu berücksichtigen, dass das Militärregime Myanmars dieses Gruppenfoto im Bundestag als Propagandamaterial auf Social Media einsetzt, um eine scheinbare Legitimation der myanmarischen Militärs durch Deutschland darzustellen und den vom Militär entsandten Diplomaten in Berlin als legitimen Gesprächspartner für Gespräche über die binationalen Beziehungen zwischen Deutschland und Myanmar zu stilisieren.
Daher appellieren wir an Sie, den Vertreter*innen des Militärregimes (SAC) in Zukunft keine Bühne zu bieten, sondern diese vielmehr auf diplomatischer Ebene zu isolieren, indem die Vertreter*innen des Militärs von allen hochrangigen, offiziellen Treffen – in Deutschland, aber auch bei der UN und ASEAN – ferngehalten werden (vgl. APHR Report). Wir glauben, dass die Parlamentariergruppe ASEAN des Deutschen Bundestags hier eine Rolle spielen kann, auch als kritischer Freund für die ASEAN-Staaten selbst.
Während das Treffen beim Berlin ASEAN Committee die Militärjunta legitimiert, müssen wir leider feststellen, dass sich der Deutsche Bundestag auf der anderen Seite in seinen Gremien, Sitzungen und Veranstaltungen kaum mit den demokratischen Vertreter*innen des Landes, dem National Unity Government, befasst hat. Bis heute erfolgte lediglich ein Solidaritätsbrief an die frei gewählten Vertreter Myanmars im Committee Representing Pyidaungsu Hluttaw vom 14.04.2022. In derselben Zeit hat sich das Europäische Parlament in mehreren Veranstaltungen und in vier Resolutionen wiederholt mit der Lage in Myanmar auseinandergesetzt und unterstützt das National Unity Government sogar offiziell als die rechtmäßige Regierung des Landes.
Wir möchten anregen, die unglückliche Symbolik des Treffens mit dem Berlin ASEAN Committee letzte Woche zum Anlass zu nehmen, um einen stärkeren Austausch deutscher Parlamentarier*innen mit dem Committee Representing Pyidaungsu Hluttaw und der myanmarischen Zivilgesellschaft (z.B. NGOs, Exil-Aktivist*innen oder dem Civil Disobedience Movement vor Ort in Myanmar) zu suchen. Ein Austausch dieser Art kann den diplomatischen Kanal zwischen dem Ministry of Foreign Affairs des National Unity Government und dem Auswärtigen Amt ergänzen. Unser Verein stellt Ihnen für diesen Zweck gerne unsere Netzwerke zur Verfügung.
Wir sind überzeugt, dass die Bundesrepublik Deutschland in diesem tragischen Konflikt eine Rolle spielen kann. Als einen der größten humanitären Geldgeber der Welt betrifft uns die größte humanitäre Krise in Südostasien unmittelbar. Für unser Engagement für Menschenrechte und Demokratie, Konfliktprävention und Stabilisierung, Klimawandel und Biodiversität sollte Myanmar im Mittelpunkt, und nicht am Rande, stehen. Diese Themen sollten die Grundlage für einen kontinuierlichen Dialog mit dem National Unity Government, dem Committee Representing Pyidaungsu Hluttaw und der myanmarischen Zivilgesellschaft darstellen. Wir hoffen, dass die Parlamentariergruppe ASEAN im Deutschen Bundestag in diesem Dialog eine führende Rolle einnehmen kann.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Nyein Chan May
German Solidarity with Myanmar Democracy e.V. Erste Vorsitzendewww.solidarity-myanmar.de may@solidarity-myanmar.de
Offener Brief von GSwMD e. V. am 13.02.2023