Politisches Briefing 2024

Myanmar am Wendepunkt?

Am 3.5.2024 hat German Solidarity Myanmar zum zweiten Mal ein Politisches Briefing veröffentlicht. Unter dem Titel “Myanmar am Wendepunkt?” analysiert das Briefing die Lage in Myanmar, die neuesten Entwicklungen im Laufe von 2023/2024 und Handlungsmöglichkeiten Deutschlands und der Europäischen Union. Das Briefing wurde mit Entscheidungsträgern in Politik, Zivilgesellschaft und Medien geteilt.

Executive Summary

In einer Zeit, in der die Schlagzeilen vom Ukraine-Krieg und Nahost-Konflikt beherrscht werden, gehört Myanmar weiterhin zu den vergessenen Konflikten der Welt. Das Land ist der Schauplatz der schwersten humanitären Krise in der strategisch wichtigen Indopazifik-Region. Nicht umsonst befindet es sich auf dem 5. Platz der 2024 Emergency Watchlist des International Rescue Committee. Auf dem Demokratie-Index der Economist Intelligence Unit rangiert das Land unter Nordkorea auf dem vorletzten Platz. Myanmar - lange Zeit ein blinder Fleck im europäischen Engagement in der Region - befindet sich zudem im Zentrum geopolitischer Trends und globaler Herausforderungen. Nach neun Jahren der demokratischen Öffnung zwischen 2012 und 2021 steht Myanmar nun exemplarisch für den Aufstieg von autoritären Regimen und die weltweite Krise der Demokratie. Das Land ist ein Hotspot für Trends, die vom Klimawandel und dem Verlust der biologischen Vielfalt bis zum religiösen Extremismus, von Flüchtlingsbewegungen bis zum internationalen Drogenhandel reichen. Die internationale Gemeinschaft ignoriert Myanmar also auf eigene Gefahr.

Gleichzeitig gibt es in Myanmar seit 2023 auch wieder Grund für Optimismus. Seit dem Putsch im Februar 2021 hat die myanmarische Demokratie-Bewegung einen langen Weg zurückgelegt und sich von einer spontanen Bewegung ziviler Massenproteste in eine revolutionäre Widerstandsbewegung entwickelt. Zum ersten Mal in der Geschichte Myanmars gibt es ein breites Bündnis ethnischer Gruppen gegen das Regime. Die People’s Defence Forces (PDF) sind in vielen Gebieten Myanmars auf dem Vormarsch. Zuletzt konnten Widerstandsgruppen mit der Operation 1027 bedeutende Siege gegen das Militär erringen. Besonders die letzten sechs Monate waren ein Wendepunkt in der “Spring Revolution” der myanmarischen Bevölkerung gegen die Militärherrschaft.

Im Gegensatz zu den Konflikten in Syrien, Jemen und Sudan führt die Widerstandsbewegung Myanmars keinen Stellvertreterkrieg, sondern ist auf sich allein gestellt. Und entgegen der Prognose ausländischer Myanmar-Expert*innen, dass der Aufstand gegen den Putsch ohne direkte Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft schnell niedergeschlagen würde, zeigt die Frühlingsrevolution großes Durchhaltevermögen. Ein internationaler Beobachter gab bereits 2022 zu: „[...] Ich habe die Wut, die Entschlossenheit und den schieren Mut der burmesischen Jugend als landesweites Phänomen völlig unterschätzt ... [die] sich einer angestrebten Revolution verschrieben haben” sowie dem “Sturz der gesamten vom Militär kontrollierten Ordnung”.

Das lose und oftmals angespannte Bündnis zwischen den verschiedenen Gruppierungen im Widerstand hat bewirkt, dass das größte Militär in Südostasien mittlerweile so sehr geschwächt ist, dass es nun versucht, 60.000 Menschen pro Jahr zu zwangsrekrutieren. Zwar kontrolliert momentan weder die Widerstandsbewegung noch die Junta das ganze Land, aber die Menschen in Myanmar beweisen immer wieder eine beeindruckende Resilienz und haben es geschafft, der Junta herbe Niederlagen beizufügen. Das myanmarische Militär hat im letzten Jahr so viel an Boden verloren wie noch nie zuvor in seiner 79-jährigen Geschichte. Das Jahr 2024 könnte sich als entscheidend erweisen.

Genau deswegen ist es gerade jetzt wichtig zu erkennen, dass es sich um eine weltweit einzigartige demokratische Revolution handelt, die mehr Anerkennung und Unterstützung verdient. Deutschland und die EU haben es in ihrer Macht, einen effektiveren Beitrag für ein föderales, demokratisches und offenes Myanmar zu leisten.

Erfahre hier, wie auch du die Demokratie in Myanmar unterstützen kannst. Wenn dir unsere Arbeit gefällt, freuen wir uns über eine Spende an unseren Verein. Du möchtest aktiv mithelfen? Unsere Arbeit lebt von ehrenamtlichen Engagement - trete unserem Verein bei und unterstütze unser Team.

Politisches Briefing 2024: Myanmar am Wendepunkt?

© German Solidarity Myanmar, 2024

Veröffentlichungsdatum: 03.05.2024

Autor*innen: Patrick Hoffmann, Dr. Andrea Valentin, Nyein Chan May, Ralf Wölk, Lukas Nagel, Anonym

Titelbild: Zar Ni Phyo

Über German Solidarity Myanmar
German Solidarity Myanmar (GSM) ist eine junge aktivistische Organisation, die sich durch politische Bildung, Öffentlichkeitsarbeit und Advocacy für die myanmarische Demokratie-Bewegung einsetzt. Der Verein engagiert sich für eine entschiedenere Haltung und proaktive Myanmar-Politik der Bundesrepublik Deutschland sowie der Europäischen Union.